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Herbstzeitlese, Dezember 2005

Das Leben in Leinen gebunden

von Gunther Brehme

Es hat möglicherweise mit zunehmendem Alter zu tun, dass der Mensch beginnt, über sein Leben nachzudenken, Bilanz zu ziehen und sich die Frage zu stellen: „Was bleibt?“ Wenn es sich dann um Sachen handelt, ein Haus oder ein Auto, lässt sich die Frage vergleichsweise leicht beantworten. Handelt es sich aber um Lebenserinnerungen, dann ist die Antwort um ein Vielfaches komplizierter. Das setzt genaue Kenntnis der Zusammenhänge voraus und bricht sich an der Sichtweise des Betrachters. Das macht Biographien historisch bedeutender Menschen so interessant, wenn sie von unterschiedlichen Autoren stammen.

Nun muss man keine bedeutende Persönlichkeit sein, um den Wunsch zu haben, sein Leben aufzuschreiben und gedruckt der Nachwelt zu hinterlassen. In der Regel findet sich aber niemand, der diese Aufgabe übernimmt, und einem selber fehlt dazu die schriftstellerische Begabung.

Inzwischen gibt es aber Menschen, die das Schreiben von Biographien zu ihrem Beruf gemacht haben. Foline Ullrich gehört dazu. Sie unterhält unter der Firmenbezeichnung „Ullrich Biographien“ ein Büro in Oldenburg. Bei ihrer Arbeit hilft ihr eine Fähigkeit, die sie schon in ihrem früheren Beruf als Anwältin besaß: Zuhören können. Damals musste sie die Schilderungen ihrer Mandanten in Juristendeutsch übersetzen. Heute geht es ihr vor allem darum, die Stimme des Erzählers im Text widerzuspiegeln; denn nur das wirkt authentisch.

Die Arbeit beginnt mit ausgedehnten Interviews, die von der Biographin aufgezeichnet werden. Dabei verfolgt sie kein festes Schema, sondern lässt ihre Gegenüber frei erzählen. Nur daraus entstehen fesselnde Geschichten. Danach folgt die Arbeit am Text, das Strukturieren, Verdichten und Formulieren, nah an den Gefühlen und Erinnerungen des Erzählers. Als Biographin tritt sie dabei vollkommen in den Hintergrund, so dass der Eindruck entstehen kann, dass es sich um eine selbst verfasste Biographie handelt.

Am schönsten ist der Moment, wenn sie das fertige Buch überreichen kann, wie erst kürzlich geschehen. Unter dem Titel „Mehr Sein als Schein“ war ein 230 Seiten starkes Buch mit den Lebenserinnerungen eines Unternehmers entstanden – in rotes Leinen gebunden.