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Ostfriesische Nachrichten, 11. Februar 2006

Biografien jetzt für Jedermann

Foline Ullrich lauscht den Lebensgeschichten ganz normaler Menschen und macht ein Buch daraus

Von Mieke Matthes

Boris Becker hat es getan, Jürgen Klinsmann und auch Poptitan Dieter Bohlen konnte es nicht lassen. Sie alle haben ihr bisheriges Leben zwischen zwei Buchdeckel pressen lassen. Was für Prominente schon fast zum guten Ton oder zur Karriereplanung gehört, entdecken auch immer mehr „Normalsterbliche“ für sich. Statt im stillen Kämmerlein Tagebuch zu führen, lassen sie über sich schreiben – von Foline Ullrich aus Oldenburg. Die Biografin, geboren in Leer, bringt Erinnerungen und Lebensgeschichten von Fremden zu Papier. Eine spannende und anspruchsvolle, aber auch erfüllende Aufgabe.

„Ich finde es extrem spannend, in ein komplett fremdes Leben einzutauchen“, beschreibt die gebürtige Ostfriesin die Faszination Biografie. Ihr Geschäft ist die Erinnerung. Zu der 40-Jährigen kommen Menschen, die das Erlebte konservieren möchten – für die Nachwelt, die Enkel, Weggefährten oder einfach für sich selbst. Und zwar, in Zeiten von DVD, Video und digitaler Fotografie, auf die altmodische Art, als Buch. Unternehmer erstellen mit Hilfe der Biografin eine Firmenchronik, andere Kunden verarbeiten einen Schicksalsschlag. Aussiedler berichten aus der Kindheit in der alten Heimat.

Zum Job von Foline Ullrich gehören eine gute Portion Neugier und Menschenkenntnis, aber auch Geduld, Einfühlungsvermögen und Zurückhaltung. Denn beim Verfassen einer Biografie geht es nicht um die Selbstverwirklichung der Autorin. Nicht der Schreibstil der 40-Jährigen prägt die Bücher, die entstehen. „Ich habe mein Ziel dann erreicht, wenn die Leser denken, der Kunde habe seine Biografie selbst geschrieben.“ Ullrich geht es darum, die Sprache des Kunden zu treffen. Er und die Leser sollen ihn in den Zeilen wiedererkennen.

Überwiegend ältere Menschen kämen zu ihr, erzählt die Biografin. 80 Jahre und älter. Menschen, die auf ihr Leben zurückblicken. So wie ein Unternehmer aus Ihlowerfehn, der Foline Ullrich sein Leben erzählte und nun seine Erinnerungen als Buch „Mehr Sein als Schein“ in den Händen hält. Ullrich sieht sich als Dienstleisterin, richtet sich nach den Kundenwünschen. In einem Vorgespräch lernen sich Biografin und Kunde zunächst kennen, Fragebögen werden ausgefüllt. Es wird besprochen, welchen Inhalt das spätere Buch haben soll. Dann folgt die Phase des Interviews. „Das kann für beide Seiten mitunter auch anstrengend werden“, so Ullrich. Denn während der intensiven Gespräche, die auch auf Plattdeutsch geführt werden können, tauchen Biografin und Kunde ab in die Vergangenheit. Ullrich führt dabei den roten Faden, leitet das Gespräch, fragt konkret, aber diskret nach.

In dieser intimen Situation erzählen ihr manche Menschen mehr, als sie eigentlich wollten, so die Biografin. Doch das sei keineswegs schlimm oder peinlich. Der Kunde entscheidet letzten Endes selbst, was vom Erzählten tatsächlich im Buch landet. „Ich respektiere Geheimnisse und Tabus.“ Der Kunde gibt die Regeln vor, entscheidet. Nach der Interviewphase geht es für die Biografin ans Eingemachte. Von den Tonbändern überträgt sie die Erinnerungen. „Beim Abhören werden Stimmungen und Gefühlslagen noch einmal sehr deutlich.“

Auch das Layout und den Druck betreut Foline Ullrich. Der Kunde kann über Einband, Anzahl der Fotos und Auflage seiner Erinnerungen entscheiden. Das eigene Leben in einem Buch. Hat das nicht einen Hauch von Eitelkeit? Foline Ullrich widerspricht: „Wenn ich ein Buch über mich schreibe, bin ich kein Angeber. Viele möchten ihre Wurzeln nicht vergessen und den Kindern etwas hinterlassen, Traditionen bewahren.“ Vorbehalte gegen das Projekt Biografie erlebe sie aber immer wieder. „Die Norddeutschen sind einfach in ihrer Art etwas bescheidener und zurückhaltender.“ Ganz anders erlebte Ullrich das in Berlin, wo sie 2003 ein Jahr lang beim Marktführer für Biografien lernte. Denn Foline Ullrich schrieb nicht immer die Erinnerungen anderer Menschen auf. Sie ist studierte Rechtsanwältin, praktizierte in Kanzleien und selbstständig. „Irgendwann habe ich aber gemerkt, dass ich meinen Weg nicht finde. Ich war nicht glücklich.“ Schon immer schreibt sie gerne. Als Rechtsanwältin ist das Verfassen von Schriftsätzen ihre Lieblingsaufgabe. Bei einem Mallorca-Urlaub sieht sie im Fernsehen einen Bericht über eine Berliner Biografin und ist sofort begeistert von der Idee. Es dauert noch zwei Jahre, bis sie den Entschluss fasst, ihre Rechtsanwaltsrobe an den Haken zu hängen. Inzwischen ist Ullrich gut im Geschäft. Ein Bestattungsunternehmer, ein 86-jähriger Zahnarzt und ein 70-jähriger Unternehmer stehen auf der Warteliste, wollen der sympathischen Zuhörerin ihre Lebensgeschichte erzählen.

Die Biografie von Dieter Bohlen findet Foline Ullrich übrigens „rein handwerklich 1a“. Hat sie einen Traumkunden? „Ich würde gerne mal Karl Lagerfeld interviewen“, schmunzelt sie. So wie der Modeschöpfer spreche, „da kommen lauter Perlen raus“. Doch erst einmal bleibt die Biografin bei den ganz normalen Norddeutschen. Deren Lebensgeschichten sind immer neu und manchmal viel spannender als die der Promis.